Beispielrechnung Sophia und Florian

Ausgangssituation

  • Altbau, Baujahr 1957, 110 qm
  • Dämmung des UG zum Erdreich (2017),
  • Dämmmung der Gebäudedecke zum Dachboden (2017),
  • Innendämmung in einem Zimmer im UG (2009),
  • Dach noch unsaniert,
  • relativ aktuelle Plattenheizkörper ohne Nischen,
  • keine Flächenheizung,
  • Fenster aus 2009 doppelverglast,
  • Heizung Baujahr 1994 (Niedertemperaturkessel).

Wir möchten Interessierten hier gerne zeigen, welche Überlegungen wir mit unserem Haus angestellt haben, um zu der Entscheidung zu kommen, dass ein Nahwärmenetz für uns die beste Lösung ist, die wir uns vorstellen können. Bevor wir von der Möglichkeit der Nahwärme wussten, haben wir uns sehr intensiv mit Wärmepumpen beschäftigt, weil dies die uns einzige Möglichkeit erschien, unsere alte Heizung entsprechend der Gesetzeslage abzulösen. Dabei haben wir natürlich auch viel über Finanzierung nachgedacht und im Folgenden werden wir sehr aus Sicht der Wirtschaftlichkeit argumentieren. Das hat vor allem damit zu tun, dass wir, wie viele andere, keine unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten haben. Es soll aber von Anfang an gesagt sein, dass uns der Erhalt unseres Planeten sehr am Herzen liegt und wir gern einen Beitrag dazu leisten möchten, dass auch künftige Generationen hier noch gut leben können. Dies lässt sich nicht mit Geld gegenrechnen. Wir erzählen hier von unserer persönlichen Situation mit den oben genannten Rahmenbedingungen. Dass die Rahmenbedingungen bei anderen anders sind, wissen wir. Wir hoffen nur, dass diese Beschreibung vielleicht manchen bei den Überlegungen zu Nahwärme hilft.


Schritt 1: Informieren über Wärmepumpen – Was wir verstanden haben

Wärmepumpen basieren auf der Idee, Wärme von einem Ort (Reservoir) zum anderen zu bringen. Diese Idee ist bei Kühlschränken und Kühltruhen bereits seit Langem im Einsatz. Wärmepumpen als Heizung drehen den hier genutzten Effekt einfach nur um.

Detaillierte Beschreibung der Funktionsweise einer Luft-Wasser-Wärmepumpe

Eine Kompressor-Wärmepumpe für die Gebäudeheizung transportiert Wärme aus der Umgebung außerhalb des Hauses ins Innere des Hauses. Denkbar sind unterschiedliche Wege um die Wärme der Umgebung anzuzapfen – derzeit technisch sinnvoll nutzbar sind: Umgebungsluft, Erdreich (Flächenkollektor oder Tiefenbohrung) und Wasser (Grundwasser und Fließgewässer). Dies ist hier deutlich schöner erklärt als ich das könnte:

Um die Wärme nun im Haus zu verteilen sind auch mehrere Wege denkbar: Beispielsweise kann Luft erwärmt und im Haus verteilt werden. Alternativ kann natürlich auch Wasser erwärmt und durch die bereits vorhandenen Radiatoren (Heizkörper) geleitet werden. Diese Idee liegt sehr nahe, wenn die bisherige Öl- oder Gaszentralheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt werden soll.

Das Spannende an der ganzen Angelegenheit: Die Energiemenge, welche für den Antrieb der Wärmepumpe (meist elektrischer Strom für den Kompressor) aufgewandt werden muss ist geringer als die Energiemenge, welche durch die Wärmepumpe für die Raumheizung zur Verfügung gestellt wird.
Lug, Trug, schwarze Magie?! Keineswegs, die Wärmepumpe bewegt Heizenergie (Wärme) von einem Reservoir (Ort) zum anderen. Und auch im Winter steckt in der Umgebungsluft (und im Erdreich oder Wasser) noch eine erstaunlich hohe (und von uns meist nicht wahrgenommene) Wärmemenge. Zur besseren Einordnung: Um Luft zu verflüssigen müsste man sie auf etwa minus 190°C abkühlen.

Um abschätzen zu können, wie eine Wärmepumpe dimensioniert sein muss und was es am Ende kostet, sie zu betreiben, wird man bei den Recherchen mit sehr vielen Begriffen konfrontiert. Am Ende ist die Zahl mit dem Namen Jahresarbeitszahl das, was für uns relevant ist. Florian erklärt das hier auch noch sehr detailliert für interessierte Leserinnen und Leser.

COP, SCOP, JZ – bitte was?

Wärmepumpen werden von Technikern gebaut und Techniker messen gerne. COP steht für „coefficent of performance“ oder – etwas schnöder – „Leistungszahl“. Dahinter verbirgt sich ein Test unter Laborbedingungen – die Wärmepumpe wird unter absolut kontrollierten Bedingungen (beispielsweise bei 7°C Lufttemperatur und 35°C Heizwassertemperatur) betrieben. Dann wird gemessen wieviel Antriebsenergie von der Wärmepumpe gebraucht wird und welche Wärmemenge sie damit „produziert“.
Als Beispiel: Aus 2 Einheiten Strom macht die von Ihnen erfundene Wärmepumpe 17 Einheiten Heizwärme? Glückwunsch, das ist ein (wirklich guter) COP von 8,5! Falls Sie schon mal in ein Datenblatt einer Wärmepumpe geguckt haben – völlig korrekt müssten man sagen: Der COP meiner Wärmepumpe bei einer Lufttemperatur von 7°C und einer Heizwassertemperatur von 35°C ist 8,5 – meist abgekürzt als COP(A7W35)=8.5

Was ist nun der SCOP? Leider (oder dankenswerterweise?) ist die Natur nicht so einfach wie ihr bei der Ermittlung des COP unterstellt wird. Die Außentemperatur ändert sich in der Regel über den Tag und übers Jahr, statt bei konstant 7°C zu verharren. Das „S“ in SCOP steht für „seasonal“ – wir haben also die „Saisonale Leistungszahl“ vor uns. Hier wird versucht aus dem gemessenen COP einen Rückschluß auf die Leistung der Wärmepumpe über ein „typisches“ Jahr in einem „typischen“ Gebäude zu errechnen.

Damit kommen wir zur Jahresarbeitszahl. Während COP und SCOP unter Laborbedingungen gemessen bzw. daraus errechnet sind, bildet die Jahresarbeitszahl die Leistungsfähigkeit einer gegebenen Wärmepumpe in einem echten Gebäude ab. Im Gegensatz zu COP und SCOP gehen die Besonderheiten des Gebäudes (Qualität der Dämmung, Dichtigkeit der Gebäudehülle, Sonneneinstrahlung, Fensterfläche, …) und die Bedürfnisse der Bewohner*innen (Temperaturempfinden, Lüftungsverhalten, Warmwasserbedarf, …) in diese Zahl ein. Schlussendlich wird hier aber auch die Menge an benötigten Einheiten Strom der abgegebenen Menge Wärme gegenübergestellt. Leider – und das liegt in der Natur der Sache – lässt sich die Jahresarbeitszahl erst im Rückblick seriös ermitteln. Also nachdem die Wärmepumpe eingebaut ist und mindestens ein Jahr in Betrieb war.

Wir erachten auf der Grundlage unserer Recherchen eine Jahresarbeitszahl von etwa 3 im Altbau für realistisch. Das deckt sich auch mit der Einschätzung einiger Heizungsbauer, die wir zu Besuch hatten. Aber auch hierfür haben wir eine detaillierte Aufstellung der Informationen, die wir hierfür zu Rate gezogen haben:

Informationen zur Jahresarbeitszahl

Naturgemäß werben die Hersteller mit den von ihren Geräten erreichbaren Jahresarbeitszahlen:

Hört man auf unabhängigere Stimmen, sieht die Welt nicht mehr ganz so rosig aus:

Eine Jahresarbeitszahl von 3 ist – für Luft-Wasser Wärmepumpen – ein guter Wert. Alles darüber ist – unsere persönliche Meinung – als Bonus anzusehen. Im Altbau ohne Fußbodenheizung ist viel mehr nicht realistisch.

Warum erreichen gut gedämmte Neubauten mit Flächenheizung so hohe Jahresarbeitszahlen? Zwei Gründe:

  1. Das Heizwasser muss nicht wirklich hoch erhitzt werden – für eine Fußbodenheizung sind 40°C schon ziemlich viel.
  2. Durch die gute Dämmung wird vergleichsweise wenig Heizenergie benötigt. Dadurch schlägt die für die Trinkwassererwärmung nötige Energiemenge stärker durch und Warmwasser will man auch im Sommer und in der Übergangszeit. Dann ist die Umgebungsluft aber noch recht warm – ideale Bedingungen für eine Luft-Wasser Wärmepumpe. Die übers ganze Jahr ermittelte Jahresarbeitszahl (Der Name ist Programm) fällt schön hoch (größer 5) aus.

Im schlecht gedämmten Altbau sieht es aber gerade andersrum aus. Die für die Trinkwassererwärmung benötigte Energiemenge ist – im Vergleich zur benötigten Heizenergie – fast schon egal (bei uns so um 15% des Gesamtverbrauchs). Der größte Anteil geht in die Raumheizung. Zusätzlich benötigen die Radiatoren (Heizkörper) höhere Wassertemperaturen, da – gegenüber eine Fußboden oder sonstigen Flächenheizung – eine geringere Übertragungsfläche zur Verfügung steht. Im Endeffekt muss die Wärmepumpe also an zwei Fronten mühsam gegen den Strom schwimmen:

  • Am meisten Heizenergie wird benötigt wenn es draußen kalt ist.
  • Das Heizwasser muss relativ hoch (55°C) erhitzt werden.

Schritt 2: Was bedeutet das für uns?

Nun wollen wir natürlich auch eine Einschätzung davon, wie teuer das Heizen mit der Wärmepumpe im Vergleich zu unserer jetzigen Heizung werden wird.

Stromtarife für Wärmepumpen liegen – laut einschlägigen Vergleichsportalen – bei derzeit 20 Cent pro kWh und etwa 10€ monatliche Grundgebühr. Die Stadtwerke Marburg verlangen derzeit 25 Cent pro kWh und 7€ monatliche Grundgebühr.

Wärmebedarf aus Gasverbrauch abgeleitet

Indem wir schauen, wie viel Gas wir durchschnittlich tanken (verbrauchen), können wir ermitteln, wie hoch unser Energiebedarf für das Heizen ist. Rechnen wir das doch mal für unseren konkreten Fall (mäßig gedämmtes Gebäude aus 1957) durch:

Derzeit wird mit einem Niedertemperatur-Gaskessel geheizt – die Vorgängertechnik der modernen Brennwertkessel. Wir verbrauchen durchschnittlich im Jahr ziemlich genau 2000 Liter Flüssiggas. Dieses hat einen Heizwert von 6,5 kWh pro Liter. 2000 Liter entspricht also einem Energiebedarf von 2000*6,5 = 13.000 kWh, die wir für die Gebäudeheizung und Trinkwassererwärmung nutzen.

Heizwert und Brennwert – Anleitung zum Selbstrechnen

Wird ein Energieträger verbrannt, wird dabei eine bestimmte Energiemenge frei. Dies entspricht dem Heizwert. Typiche für die Gebäudehezung genutzte Energieträger (Öl, Gas, Kohle, Holz) setzen bei der Verbrennung recht viel Wasserdampf frei. Kühlt man die Abgase auf unter 100°C ab, kondensiert das im Abgas enthaltene Wasser – bei diesem Übergang von gasförmig zu flüssig wird nochmals Energie frei. Das ist das Funktionsprinzip der Brennwerttechnik.

EnergieträgerHeizwert in kWhBrennwert in kWh
Heizöl10 pro Liter10,6 pro Liter
Flüssiggas (Propan)6,5 pro Liter7 pro Liter
Erdgas (L-Gas)7,5-10 pro Kubikmeter8,5-11 pro Kubikmeter
Erdgas (H-Gas)9,5-12 pro Kubikmeter10-13 pro Kubikmeter

Kosten für das Heizen mit der Wärmepumpe

Wie oben dargelegt ist für eine Luft-Wasser Wärmepumpe eine Jahresarbeitszahl von 3 für uns realistisch. Damit steht der Wechselkurs fest: Für 13.000 kWh Wärme müssen 4333 kWh Strom eingesetzt werden. Nehmen wir mal an, wir wechseln zu einem günstigen Anbieter, dann wären das: 4333*20 Cent sind 866 Euro zuzüglich den monatlichen Grundgebühren von 12*10€ (=120€) kommen wir also auf knapp 1000€ im Jahr.

Das klingt erstmal gut und ist mit der letzten Gasrechnung vergleichbar! Allerdings wird hier ein ganz wichtiger Aspekt übersehen: Hierbei handelt es sich nicht um die Vollkosten. Leider wachsen Wärmepumpen nicht auf Bäumen und das günstigste uns vorliegende Angebot liegt – nach Abzug der Förderungen – bei 23.000€. Luft-Wasser Wärmepumpen wird eine Lebenszeit um die 15 Jahre zugesprochen (also ~1500€ Kosten pro Jahr). Somit landen wir ganz grob über den Daumen bei 1000€+1500€ = 2500€ Heizkosten im Jahr. Wartungs- und Reparaturkosten können wir nicht realistisch schätzen – wir halten es aber für eher unwahrscheinlich, dass eine Wärmepumpe wartungsfrei für 15 Jahre durchläuft. Insofern sind die 2500€ bitte als Untergrenze zu sehen.

Wir kämen damit auf: 2500€/13.000kWh = 19,2 Cent pro kWh Wärmeenergie (Mindestpreis exklusive Wartung und Nebenkosten). Aus der Präsentation unserer Infoveranstaltung ging hervor, dass die Preise für die Kilowattstunde Wärme in den anderen Orten mit Nahwärmeversorgung zwischen 16,8 und 19,3 Cent lagen. Wir erinnern uns aber: Hier wurde eine Vollkostenrechnung gemacht, was uns für die Wärmepumpe nicht vollends gelungen ist, weil wir hier keinen Einblick in Wartungskosten haben. Außerdem ist das Gerät mit nur 15-20 Jahren Lebensdauer angegeben, während man in der Nahwärme von deutlich längeren Laufzeiten bis zu 50 Jahre ausgeht. 


Schritt 3: Die Entscheidung

Aus unserer persönlichen Meinung sprechen zahlreiche Gründe für einen Anschluss an das Nahwärmenetz:

  1. Der oben genannte Preis von ca. 19 ct pro Kilowattstunde Heizenergie im Nahwärmenetz beinhaltet alle Kosten für die zentrale Wärmeerzeugung und das Leitungsnetz über die geplante Laufzeit (bis zu 50 Jahre): Installation, Betrieb, Wartung, Instandhaltung. Somit werden die Kosten für einen längeren Zeitraum viel absehbarer.
  2. Abhängig von der konkreten Umsetzung (Biomasse, Tiefenbohrung, Solarthermie, …) hat die Nahwärme das Potential, deutlich umweltfreundlicher zu sein – in unserer Einschätzung auch umweltfreundlicher als hunderte von Wärmepumpen in den Einzelhaushalten.
  3. Ebenfalls abhängig von der konkreten Umsetzung kann die Nahwärme deutlich unabhängiger von der Preispolitik am Energiemarkt sein.
  4. Die im Haus verbaute Technik für die Nahwärmeversorgung ist sehr simpel – Wärmetauscher und Umwälzpumpe – und damit sehr wartungsarm und langlebig und platzsparend (z.B. im Vergleich zu Heizkessel oder Öl- oder Gastanks).
  5. Die Anfangsinvestition bei der Nahwärme ist viel geringer. Auch wenn wir die Förderung der BAFA (45% sind in Aussicht gestellt) für eine Luft-Wasser-Wärmepumpe in unserem Haus wirklich bekommen, müssen wir dennoch 41000 Euro vorstrecken. Auch nach der Förderung ist die Anfangssumme mit 23000 Euro deutlich höher als bei der Nahwärme mit 8000-10000 Euro. Somit erleichtert uns die Nahwärme die Finanzierung erheblich.
  6. Um mit der Wärmepumpe eine höhere Jahresarbeitszahl zu erreichen, wäre bei uns eine umfangreiche Sanierung notwendig . Im Vortrag wurde uns erklärt, dass diese in der Versorgung mit Nahwärme nicht im gleichen Ausmaß vorgenommen werden muss, um auf die gleiche Temperatur zu kommen, wie bisher (ausgehend von einer Vorlauftemperatur von etwa 70°). Auch hier lassen sich Ausgaben wahrscheinlich langfristiger planen.
  7. Wenn wir eine zentrale Lösung für die Heizung haben, dann muss die Technologie auch in Zukunft an nur einer Stelle ersetzt werden und nicht in hunderten von Haushalten. Außerdem sind wir nicht auf uns allein gestellt, wenn mit unserer Heizung einmal etwas nicht stimmt.

Schließlich sei noch gesagt, dass falls es zu einer Genossenschaftsründung kommt, sind wir als Genossenschaft nicht gewinnorientiert. Die Kosten sind also nur so hoch, wie sie sind.